Die Schule: Ev. Schulzentrum Demmin
Das Ziel: Fortsetzung der 2020 begonnenen Theaterstarter-ArbeitEtablierung der Theaterarbeit im Schulunterricht
Die Gruppe: Leitung: Herr Braun // Teilnehmer*innen: 17 Schüler*innen der Klassen 7 bis 10
Die Erwartungen: Die Theaterarbeit ist nun Teil des Schulunterrichts und betrifft Schüler*innen klassenübergreifend. Wird dieses engmaschigere Konzept (welches bewusst nicht im AG-Bereich angesiedelt ist) aufgehen? Haben die Teilnehmer*innen die nötige Motivation für ein langfristiges Projekt?

Besuch 1 – September 2021


Ich treffe bei meinem ersten Besuch auf eine sehr heterogene Gruppe: Schüler*innen verschiedenen Alters, mit und ohne Förderschwerpunkt, die seit Beginn des neuen Schuljahres wöchentlich miteinander und fächerübergreifend agieren – und sich sogar schon einen eigenen Namen gegeben haben: „Herr Käthe“. (Der Hintergrund dieses ungewöhnlichen Namens soll hier nicht verraten werden – aber als Tipp am Rande: Einfach mal online die Namenspatronin der Schule, Katharina von Bora, erforschen…)

Schon bei den ersten WarmUp-Übungen wird mir klar: Hier ist geballte Konzentration im Raum. Und Ernsthaftigkeit. Wow.

Die Gruppe berichtet mir, was ihnen zum Oberthema „Eine bessere Welt für morgen“ bisher eingefallen ist: Eine dysfunktionale Familie. Ein Sohn, der in der Schule geärgert wird. Ein Freund, der ihm zur Seite steht? Es geht um (Nicht-)Kommunikation in all ihren Facetten.

Es gibt ein Storyboard, erste Figuren und erste Szenen, die wir sogleich gemeinsam ausprobieren. Hut ab – hier geht es mit großen Schritten voran.

Besuch 2 – Oktober 2021

Die Gruppe ist ziemlich groß – und heute steht die Entwicklung der Rollenfiguren im Vordergrund.

Im Mittelpunkt steht die Familie – Mutter, Vater, Sohn. Aber müssen die durchgängig von nur eine*r festen Schauspieler*in gespielt werden? Können sich die Schauspieler*innen von Szene zu Szene abwechseln? Und dann ist da ja noch der Lehrer und die Schulklasse des Sohnes. Und wie stellen wir eigentlich die Gefühle der Figuren dar? Können das nicht eigene Rollen sein, die sich auf der Bühne begegnen?

Wir probieren Figurenideen aus und stellen sie uns gegenseitig vor. Ich bin schwer beeindruckt, wie gemeinschaftlich die Teilnehmenden agieren. Autismus, körperliche Behinderung, Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache – die Gruppe hat Geduld mit sich. Jede*r darf seinen Platz suchen und einnehmen. Stark.

Besuch 3 – November 2021

Am Horizont lauert die vierte Pandemiewelle – aber die Gruppe zieht ihr Ding durch:

Heute steht die Sortierung der bisher produzierten Szenen an – was ist da? Welche Szenen braucht es noch? Wie soll das Stück enden? Diese dramaturgischen Überlegungen werden theoretisch und praktisch intensiv diskutiert. Außerdem berichten die jeweils Verantwortliche*n aus ihren Spezialbereichen: Kostüme, Requisite, Bühnenbild… Vor den Weihnachtsferien soll eine öffentliche Probe für die Schulgemeinschaft stattfinden.

Besuch 4 – Dezember 2021

Tja. Die vierte Pandemiewelle überrollte auch die Demminer Schule – und so musste mein vierter Besuch verschoben werden. Herr Braun und ich werden im Januar 2022 die weitere Planung angehen – und darauf freue ich mich!

Was danach geschah – Januar 2022 bis Dezember 2022

Die weitere Planung liegt erstmal auf Eis – denn Herr Braun fällt längerfristig aus. Kurz vor den Sommerferien 2022 steigt er wieder in den Schulbetrieb ein. Die Schüler*innen der Theaterstarter-Gruppe erzählen ihm von ihrem Wunsch, nach den Sommerferien weiterzumachen. Herr Braun freut sich, stimmt zu – und rechnet damit im Spätsommer 2022 nach langer Pause wieder bei Null anzufangen. Wir vereinbaren digitale Coachingtermine.

Die Teilnehmer*innen starten im neuen Schuljahr engagiert in die Proben – dank schriftlicher Notizen und verschiedener schülereigener Verantwortlichkeiten für Teilbereiche des Projekts geht es also um eine Fortsetzung der Arbeit, keinen Neustart. Die Gruppe ist sich einig: Sie wollen endlich präsentieren – und zwar zum Ende des Schulhalbjahres, im Januar 2023. Herr Braun und ich vereinbaren eine intensive Probenwoche im Januar, dessen Abschluss die Aufführung bildet.

Besuch 5 – Januar 2023

Die Schüler*innen präsentieren mir zu Anfang der Woche ihre bisherige Arbeit, endlich live und in Farbe. Wir diskutieren über Kostüme, den Raum der Präsentation und das Zielpublikum. Es ist den Teilnehmer*innen anzumerken, dass das hier ihr Ding ist und sie es zu einem tollen Abschluss bringen wollen. Das Stück selbst dreht sich um Gewalt in der Familie und die Kraft der Freundschaft – übergeordnet lässt sich sagen: Wertschätzende Kommunikation macht die Welt von heute und morgen besser.

Beeindruckt bin ich von der Zusammenarbeit der sehr unterschiedlichen Teilnehmer*innen – und von ihrer Offenheit, in intensiven Einzelproben am Nachmittag noch an bestimmten Szenen zu feilen und für sie neue Dinge auszuprobieren.

Die Aufführung vor – nicht ganz unvoreingenommenen – 9. und 10.Klässlern („Theater – langweilig!“) und ausgesuchten Lehrkräften wird mit anhaltendem Schlussapplaus gewürdigt. Ansonsten ist während des Stücks wenig vom Publikum zu hören – im Raum liegt eine deutliche Spannung: Während der ersten Szene, die den Alltag einer dysfunktionalen Familie zeigt, ist es so still als würden alle Zuschauer*innen den Atem anhalten.

Nach dem Schlussapplaus beantwortet die Theatergruppe noch Fragen aus dem Publikum: Wie kamt Ihr zur Stückidee? Wie habt Ihr die Rollen erfunden und besetzt? Und wieviel Zeit und Arbeit steckt eigentlich in so einer Theaterproduktion?

Herr Braun wird übrigens im Schuljahr 2023/24 eine neue Theatergruppe in den Unterrichtsalltag integrieren – diesmal mit Schüler*innen, die nicht ganz unvoreingenommen gegenüber Theater im Publikum saßen. Die hatten ihn nach der Vorstellung eigenständig um die Teilnahme gebeten.

Zusätzlich gefördert durch: